Energiekrise: Reichenbacher Großvermieter WOBA fordert sofortige Entlastung der Mieter

Energiekrise: Reichenbacher Großvermieter WOBA fordert sofortige Entlastung der Mieter

Banner und Plakate ziehen am Sitz des größten Vermieters von Reichenbach die Blicke auf sich. Der Hintergrund ist ernst. Das zeigt die aktuelle Abrechnung der Betriebskosten.

Reichenbach. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft (Woba) Reichenbach, größter Vermieter der Stadt und zweitgrößter im Vogtlandkreis, fordert auf Plakaten und Bannern an ihrem Sitz in der Zwickauer Straße: „Energiepreisdeckel sofort!“ und „Entlastung für unsere Kunden! Sofort!“ In weiteren Fenstern hängen Plakate „Freitag = Badetag?“ sowie Waschlappen in den Woba-Farben, die den Ratschlag des Baden-Württemberger Ministerpräsidenten Winfried Kretzschmann (Grüne) karikieren, zum Waschlappen zu greifen statt zu duschen.

„Wir hatten Anfang August den offenen Brief aus Reichenbach an Wirtschaftsminister Robert Habeck mitunterzeichnet, in dem auch die massive Abfederung der Energiepreise gefordert wurde. Bis auf ein paar Besuche von Bundespolitikern hat sich nichts getan. Es gibt bis heute keine Lösung. Auch wenn viele unserer Kunden glauben, dass der Staat sie schon auffange und es nicht so schlimm werde“, erklärt Woba-Geschäftsführerin Daniela Raschpichler. Die 2500 Kunden, das sind zum Großteil Mieter von Wohnungen und zum kleineren Teil Inhaber von Immobilien, bei denen die Woba als Dienstleister fungiert. „Wir hatten erst überlegt, ob wir zu einer Demo aufrufen, uns dann aber doch für die Botschaften ander Fassade entschieden“, so die Chefin.

Anlass für die Aktion geben die Betriebskostenabrechnungen, die den Mietern nächste Woche zugesandt werden. Dort sind für die künftigen Abschlagszahlungen die Preise für 2023 anzusetzen. „Hierbei verdoppeln sich die Nebenkosten in etwa“, so Raschpichler.

Sie führt als Beispiel für eine 80,8 Quadratmeter große Plattenbauwohnung an. Dort liegt die Kaltmiete bei 4,27 Euro pro Quadratmeter und Monat, insgesamt also 345 Euro. Die Nebenkosten für Fernwärme (Heizung und Warmwasser) steigen von 1,70 auf 4,09 Euro je Quadratmeter. Die kalten Betriebskosten erhöhen sich durch Inflation, Mindestlohnerhöhung und dergleichen von 0,67 auf 0,81 Euro. Insgesamt steigen die Nebenkosten so von 2,37 auf 4,90 Euro je Quadratmeter. Das mache für die konkrete Wohnung eine Betriebskostensteigerung von 190 Euro pro Monat im Jahr 2020 auf rund 395 Euro pro Monat im Jahr 2023. Mehr als eine Verdoppelung. Und die Stromkosten, die die Mieter individuell mit dem Versorger abrechnen, sind da noch gar nicht drin.

Der höhere Gaspreis treffe alle Woba-Mieter, egal ob im Plattenbau oder in anderen Wohngebieten. Lediglich die gerade auf 7 Prozent reduzierte Mehrwertsteuer auf Gas dämpfe den Preis etwas. Richtig haarig werde es 2024. Dann ist eine Vervierfachung der Erdgaspreise vorhergesagt. „Wer soll das noch bezahlen?“ fragt Raschpichler.

Was 2024 tatsächlich eintritt, ist für Lars Lange, Geschäftsführer der Stadtwerke Reichenbach, „wie der Blick in die Kristallkugel.“ Sprich: unkalkulierbar. Noch haben die Stadtwerke für 2024 noch gar keinen Gasvertrag. Die Preisaufschläge seien derzeit einfach zu hoch. Für die Gasbeschaffungsumlage, die der Bund erst beschloss und nun wieder daran rüttelt, haben die Stadtwerke gerade 3500 Gaskunden anschreiben müssen. „Ich bin für die Abschaffung der Gasbeschaffungsumlage. Sie hätte nie beschlossen werden dürfen. Aber wenn wir unsere Liquidität nicht aufs Spiel setzen wollen, können nicht anders und haben Fristen einzuhalten. Der vorgelagerte Versorger Trading Hub Europe will von uns das Geld“, hält Lange fest. Von der Bundesregierung fordert er, dass sie den Kopf einschaltet, bevor sie etwas beschließt.

Für die Stadtwerke Reichenbach sei das A und O, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Mit der Bevorratung von 200.000 Litern Heizöl sei man in der Lage, in einer möglichen Gasmangellage einen Wintermonat zu überbrücken.

„Ich fordere von der Bundespolitik schnellstens einen Energiepreisdeckel sowie Ausfallbürgschaften von Bund und Land für Mietausfälle und einen Schutzschirm für die Wohnungswirtschaft“, hält Woba-Chefin Daniela Raschpichler fest.

Übrigens sollen bald auch am Reichenbacher Rathaus Banner hängen. Laut Oberbürgermeister Raphael Kürzinger (CDU) werden sie folgende Botschaften tragen: „Leben statt nur überleben“ und „Bezahlbare Energie für alle“.

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Fotos: Franko Martin